Kausalität : Wenn man aufgeputscht ist, reagiert man schneller gereizt, sagt Dinge extremer, als man eigentlich meint. Darauf folgt die nachträgliche Rationalisierung: Man denkt sich Gründe aus, warum man „natürlich völlig im Recht“ war. So bleiben Fronten verhärtet, nicht weil die Themen unlösbar wären, sondern weil Kaffee unseren Kopf beim Streiten austrickst.
Erst “nüchtern” kommt rachträglich die eine oder andere Einsicht.

Korrelation: Oft stelle ich selbst nach einem Streitgespräch fest, dass wir dabei ziemlich viel Kaffee getrunken hatten. Aber auch der Kaffeekomsum in ganz Deutschland steigt, während die Spaltung ebenfalls zunimmt.
Ich vermute, der politische West-Ost-Gradient korreliert auch mit dem Kaffeekonsum. Im Osten ist ständig verfügbarer Kaffee (sprich >3,0 Tassen am Tag) erst seit einer Generation üblich, sodass sich die (Gesprächs-)Kultur vielerorts verglichen mit NRW (>4,0 Tassen) noch nicht auf hitzigere Köpfe einstellen konnte.

Fazit : Kaffee trägt Mitschuld. Wir sollten wieder runterkommen davon.

Wo liege ich falsch?

  • Zacryon@feddit.org
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    3 hours ago

    Wenn (übermäßiger) Kaffeekonsum mit Schlafmangel einhergeht, ist gereiztes Verhalten nicht verwunderlich. Das liegt aber am Schlafmangel, nicht am Kaffee.

    Anders sieht es bei Migräne aus. Migräne kann reizbar machen. Kaffeekonsum kann je nach Art und Menge des Konsums Migränesymptome sowohl lindern als auch auslösen. Hier wäre also eine direkte Kausalitätskette vorhanden. Kaffee -> Migräne -> Reizbarkeit.

    Unter “gesunden Voraussetzungen” macht Kaffee aber erstmal wacher und schärft die kognitive als auch körperliche Leistungsfähigkeit. (Was unter Umständen auch gefährlich sein kann, da wichtige Körpersignale verdeckt werden können.) Die Art von Reizbarkeit, die du beschreibst, sehe ich ohne entsprechende persönliche Prädisposition nicht gegeben. Wenn jemand ohnehin schon ein Wutkopf ist, kann Kaffee das natürlich verstärken. Da ist dann aber nicht ursächlich der Kaffee dran Schuld.

    Ist aber eine interessante Frage. Bei anderen Substanzen, wie z.B. dem Klasse 1 Karzinogen Alkohol, sind die psychologischen Effekte wie auch hinsichtlich Reizbarkeit ja durchaus schon gut untersucht und dokumentiert.

    Für Kaffee wurde das ebenfalls untersucht. (Achtung: Ich habe aus Gründen der Zeit und Lust idR nur die Abstracts gelesen.)

    Diese Studien zeigen, dass Kaffeekonsum eher entspannt, statt aggressiv zu machen:

    Diese weist darauf hin, dass es keine ausreichende Evidenz für aggressives Verhalten in Jugendlichen aufgrund von Kaffee gibt, aber weitere Forschung erforderlich ist: https://doi.org/10.1016/j.yrtph.2015.12.002

    Hier wird darauf hingewiesen, dass Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen verstärkte Symptome (Angstzustände, Schlafstörungen, Essstörungen, Feindseligkeit und weiteres) aufgrund von Kaffee haben können bzw. Kaffee sich auch nachteilig auf Diagnose und Behandlung auswirken kann. https://doi.org/10.1192/apt.11.6.432

    Verstärkung von Angstsymptomen wurde auch hier angegeben, allerdings verbunden mit einer hohen Koffeinzufuhr, insbesondere bei Personen, die bereits an Angststörungen leiden: https://doi.org/10.1016/bs.pbr.2024.06.015
    Es werden auch positive Auswirkungen auf Personen mit Depressionen genannt, sofern die Einnahme moderat bleibt. Allerdings gibt es hierbei eine hohe individuelle Varianz. Über aggressives Verhalten wird hier nichts berichtet.

    Korrelationen zwischen Koffeinkonsum, insbs. Kaffee, und Stress, Angst und Depressionen wurde für Schulkinder als koffeinsensible Gruppe festgestellt: https://doi.org/10.1177/0269881115612404 Kausalität ist hierbei jedoch nicht entscheidbar, ebenso ist nicht von Aggression o.ä. die Rede.

    In dieser Metaanalyse wurde auch herausgestellt, dass Koffein Angstzustände verstärken oder sogar (auch bei gesundenen Erwachsenen) auslösen kann, insbs. bei hohen Dosen. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2024.1270246

    Der angstauslösende Effekt von Koffein hat auch einen Wikipediaartikel und gilt inzwischen auch als eigene Diagnose: https://en.m.wikipedia.org/wiki/Caffeine-induced_anxiety_disorder

    Diese Untersuchung legt nahe, dass feindselige / aggressive Persönlichkeitszüge durch Koffein in Personen verstärkt wird, die auch so bereits als feindselig / aggressiv gelten: https://doi.org/10.1016/S0191-8869(00)00097-0

    In dieser systematischen Metastudie wird erfasst, dass es für Dosen von weniger als 400 mg Koffein pro Tag keine Hinweise auf erhöhte Aggressionslevel gibt. Ab einer sehr stark erhöten Tagesmenge von 1200 mg wurde jedoch durchaus in einer Studie erhöhte Aggression beobachtet: https://doi.org/10.1016/j.fct.2017.04.002
    (Zum Vergleich: das entspricht circa 1,5 Liter Kaffee am Tag. Wer so viel Kaffee säuft, hat ohnehin andere Probleme.)

    Fazit

    Auf Basis dieser kurzen Recherche zeigt sich in der wissenschaftlichen Literatur kein aggressionsfördernder Zusammenhang bei Kaffeekonsum in gesunden Menschen. (Außer man nimmt extreme Mengen ein, wie z.B. 1,5 Liter Kaffee am Tag.)
    Im Gegenteil: es wird nahegelegt, dass Kaffee eher entspannt und aggressive Gefühle oder Verhaltensweisen mindert.

    Bereits bestehende aggressive Persönlichkeitszüge können jedoch durch Kaffee verstärkt werden. Hier ist aber die individuelle Prädisposition ausschlaggebend und nicht der Kaffee.

    Problematisch ist Kaffee bzw. Koffein offensichtlich in Zusammenhang mit Angststörungen, da es Symptome verschlimmern kann. Dosen von mehr als 400 mg können auch in gesunden Erwachsenen Angstzustände auslösen. Wer betroffen ist, sollte also lieber den Konsum zurückfahren oder ganz die Finger davon lassen.

    Interessant ist auch, dass bei mäßiger Koffeineinnahme Symptome von Depressionen gemildert werden können. Hier gibt es aber auch eine hohe individuelle Varianz, d.h. wird nicht bei jedem so funktionieren und könnte bei sensiblen Personengruppen sogar Symptome verschlechtern.

    Das Vorliegen individueller Faktoren ist also auch ausschlaggebend dafür in welcher Art Koffein auf einen wirkt. Sensible Personengruppen oder jene mit o.g. Prädispositionen sollten daher Vorsicht walten lassen.

    Achtung

    Ich habe hauptsächlich Abstracts gelesen. Das ist nicht mein Fachgebiet (bin Ingenieurwissenschaftler, kein Mediziner). Meine Recherche war kurz und ist daher nicht mit einer ausführlichen, neutralen, wissenschaftlichen Literaturanalyse gleichzusetzen.
    Im Zweifel sprich lieber mit deinen Ärzten und Psychologen, wenn du Bedenken hast.

  • megrania@discuss.tchncs.de
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    4 hours ago

    Ich glaube die Wirkung von Kaffee variiert doch stark von Mensch zu Mensch, von daher glaube ich das das alles recht weit hergeholt ist.

    Im Vergleich zu anderen Faktoren (wirtschaftlicher Druck, Zukunftsängste, Klimekatastrophe usw) zu vernachlässigen, würde ich vermuten.

    (einzelner) Datenpunkt: Als sich die Gesellschaft zu Zeiten der Weimarer Republik gespalten hat, war das noch unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise, als Kaffee ein teures Luxusgut war …

  • aaaaaaaaargh@feddit.org
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    8 hours ago

    Du machst den Fehler, einen Sachverhalt aus deiner Einzelfallbeobachtung abzuleiten und zu verallgemeinern, um daraus eine Kausalität abzuleiten, was deine komplette Schlussfolgerung ungültig macht.

    (Ohne Kaffee geschrieben)

    • suff@piefed.socialOP
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      7 hours ago

      Ich habe Indizien zusammengetragen. Zu manchem habe ich Statistiken gefunden, deren Unabhängigkeit ich wiederum nicht prüfen konnte.

      +1Δ für diese Kritik

  • ominous ocelot@leminal.space
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    7 hours ago

    Ja, durchaus möglich. Nein, nicht falsch. Das Puzzle hat noch mehr Teile vermute ich.

    Ich verorte es bei den Aspekten persönliches Stresslevel und ob man gerade empathisch agieren kann oder nur bei sich ist. Sympathie / Antipathie. Recht haben wollen, statt Kompromissbereitschaft ist eine innere Einstellung und wird auch durch die eigene Persönlichkeit mitgeprägt. Die eigene Stimmung (freudig oder überfordert) hat nen Einfluss.

    Kaffee… Besser wäre es ohne. Dann müsste ich aber abends/ nachts abeiten. Das machte die Zusammenarbeit und Terminfindung komplizierter.

  • Teppichbrand@feddit.org
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    9 hours ago

    Ich habe vor Jahren mal eine Studie gelesen, in der bestätigt wurde, dass Kaffee entspannt und kompromissbereit macht. Das ist bei uns seitdem so ein Dauerwitz:
    “Trink erst mal einen Kaffee, dann reden wir weiter.”
    Ich kann die Studie jetzt gerade nicht mehr finden, bin mir aber sicher, dass sie seriös war und existiert hat. :)

    Anderes Thema:
    Wir bestellen ihn zusammen mit Bohnen, Nudeln und Dosentomaten immer beim Café Libertad Kollektiv

  • Zwuzelmaus@feddit.org
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    9 hours ago

    Korrelation: Oft stelle ich selbst nach einem Streitgespräch fest, dass wir dabei ziemlich viel Kaffee getrunken hatten.

    Das kann eine Korrelation sein, aber man kann genausogut selektive Wahrnehmung vermuten. Hast du mal versucht, die Beobachtung zu objektivieren?

  • Hubi@feddit.org
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    10 hours ago

    Kann nicht relatieren. Ich trinke weder Kaffee noch Energydrinks und streite mich trotzdem.

    • ComfortableRaspberry@feddit.org
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      6 hours ago

      Bin im selben Boot. Wenn ich Mal Schwarztee trinke kann ich aber nicht so gut schlafen. Bin dann noch müder und deshalb schlecht gelaunt, was durchaus zu mehr Streit führen kann!

  • suff@piefed.socialOP
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    6 hours ago

    Relevante Sternstunde zum Thema externe Beeinflussung der Gefühle (wie unangemessene Wut im Streit):

    Sternstunde Philosophie: Die Macht der Gefühle – von Angst bis Zorn

    Episode webpage: https://www.srf.ch/audio/sternstunde-philosophie

    Media file: https://download-media.srf.ch/world/audio/Sternstunde_Philosophie_radio/2025/06/Sternstunde_Philosophie_radio_AUDI20250531_NR_0016_887c52fab8194376a5da763a1a325f77.mp3?d=ap&assetId=5400a8e3-c257-3bc4-a27a-aad5e1709c70

  • ISOmorph@feddit.org
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    9 hours ago

    Ich finde du solltest in deiner Hypothese hinterfragen, ob Kaffee wirklich aufputscht.

    Ich war sehr lange Kaffeetrinker und hab es aber nun seit einigen Jahren ersatzlos aufgegeben. Wenn ich jetzt Kaffee trinke, putscht es tatsächlich auf, und ich lauf rum wie auf koks. Damals, war der Kaffee die Voraussetzung um überhaupt zu funktionieren, sprich ohne Kaffee war ich runtergeputscht.

    Meine Hypothese wäre also, dass die Anwesenheit von Kaffee im System kein Einfluss auf das Verhalten von Kaffeetrinkern hat, sondern eher dessen Abwesenheit. Nur bei nicht-Kaffeetrinkern ist es andersrum.

    Meine Conclusio wäre also die gleiche wie deine, aber aus anderen Gründen. Kaffee ist nur nützlich, wenn es gezielt konsummiert wird. Somit sollte jeder idealerweise den Konsum stark einschränken. Kaffee als Genussmittel sollte nur Koffeinbefreit konsumiert werden.

  • Damarus@feddit.org
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    10 hours ago

    Ich weiß nicht so recht. Das klingt erstmal schlüssig, aber ich bin deutlich reizbarer wenn ich müde bin. Mehr als zwei Tassen Kaffee am Tag trinke ich aber auch nicht, und das ist schon viel für mich. Wahrscheinlich gibt es, wie bei so vielem, eine goldene Mitte.

    • suff@piefed.socialOP
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      7 hours ago

      Es gibt (leider) einen “Betriebspegel”, das stimmt. Erfahrungsgemäß verleitet aber das Trinken in Gesellschaft (im Gespräch) dazu, den Pegel eher zu überschreiten als allein im Büro.

  • Feddinat0r@feddit.org
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    10 hours ago

    Ich bin definitiv TeamTee, aber ich bin so extrem faul, SenseoPadKaffee geht einfach schneller und einfacher

    • suff@piefed.socialOP
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      6 hours ago

      Grüner und Schwarzer Tee enthalten ebenfalls Koffein (mit Teein identisch.)

      • Teppichbrand@feddit.org
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        9 hours ago

        Benutzername prüft aus. :)
        Ich habe schon einige Kaffee-Automaten repariert und das ist oft kein Spaß. Irgendwo unter der Abdeckung sitzt immer Schimmel und ranzt unbemerkt vor sich hin. Ich weiß nicht ob das bei Tee-Automaten auch passiert, aber Kaffee wird bei uns immer noch von Hand mit einem Keramiktrichter aufgeschüttet. Das ist garantiert gammel-frei.

        • ComfortableRaspberry@feddit.org
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          6 hours ago

          Iiih, ja, beim vorletzten Arbeitgeber kam Mal jemand, weil einer der Vollautomaten kaputt war. Meine Fresse war das eklig, als der das Ding aufgemacht hat…