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    2 days ago

    Naja. Die Schussabgabe kann als richtig angezweifelt werden, wenn der Kollege den Taser als milderes Mittel erwogen hat.

    Ich weiß auch, dass die Polizei darauf gedrillt wird, bei einem Messer ab Unterschreiten eines Mindestabstands zu schießen. Außerdem ist das eine höchstgradige Stress Situation, in der man auf das zurückfällt, was man drillmässig trainiert hat (ähnlich wie beim Militär). Verständlich ist auch, dass niemand der zu so einem Einsatz fährt mit so einer Eskalation rechnen musste. Heißt, es war ein Routineeinsatz der erheblich schief gegangen ist. Man weiß ja auch gar nicht, welche Informationslage vorherrschte.

    Die Wahl zu schießen oder zu tasern - beides soweit ich es gelesen habe bei Jugendliche verboten -steht eigentlich zu Debatte. Dazu das grundlegende Training und die Frage, ob die Polizei für Einsätze mit Personen in psychischen Ausnahmezustand die richtigen Ansprechpartner sind (sofern man vorher weiß das es so eine Lage ist, das entwickelt sich ja nach Eintreffen).

    • da_cow (she/her)@feddit.org
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      2 days ago

      Dazu das grundlegende Training und die Frage, ob die Polizei für Einsätze mit Personen in psychischen Ausnahmezustand die richtigen Ansprechpartner sind.

      Basierend da drauf, dass Cops ja mehr oder weniger Regelmäßig Leute in psychischen Ausnahmezuständen erschießen würde ich mal ganz pauschal mit einem ganz großen Nein antworten. Besonders wenn die Person einen Migrationshintergrund hat und vielleicht nicht besonders (oder gar nicht) deutsch/Englisch spricht.

      • philpo@feddit.org
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        1 day ago

        Isso. Ich bin regelmäßig von medizinischer Seite bei diesen Geschichten dabei & verantworte tlw. die Indikationsstellung - und die Ausbildung dazu in DE ist vollkommen unzureichend (obwohl sie noch VIEL besser ist als in anderen Ländern) & leider auch die personelle Zusammensetzung.

        Alternatives Beispiel: In Australien werden in vielen Bundesstaaten/Territories sog. “Mental health care teams” eingesetzt, ebenso in UK & auch für solche Einsätze herangezogen.

        Das sind tlw. gemischte Teams aus intensiv ausgebildeten&v.a. auch erfahrenen Polizeikräften (es sind afaik 3-5 Jahre Erfahrung notwendig,viele Bewerber haben eher 10+x) sowie Mental health care specialists (Nurses oder Paramedics auf Masterniveau). Diese suchen mit speziell dafür ausgestatten Fahrzeugen psychiatrische Ausnahmezustände und psych. Erkrankungen generell, aber auch solche Fälle wie hier auf. Das System funktioniert. Sehr sehr gut. Und es senkt ironischer Weise massiv die Kosten,da es gleichzeitig die sinnlosen Klinikeinweisungen massiv reduziert.

      • Señor Mono@feddit.org
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        2 days ago

        So die Wahrnehmung, ja. Die Realität wird differenzierter sein, weil Fälle wo es klappt und alles glimpflich ausgeht nicht in den Medien laden.

        Ich breche keine Lanze für das grundlegend zu aggressive Vorgehen, wehre mich aber auch gegen ein zu einfaches schwarz-weiß Bild. Für die Polizisten ist das trotz Training auch ein Ausnahmezustand. Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass man an jemanden mit Gewaltmonopol (Waffe) sehr hohe Standards anlegen muss. Jemand der den Standards nicht genügt, sollte nicht im Außendienst arbeiten.

        • da_cow (she/her)@feddit.org
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          2 days ago

          Die Aufarbeitung der Fälle wo es schief geht zeigt aber ja, dass so etwas in der Polizei zumindest geduldet wird. Cops können mehr oder weniger machen was die wollen ohne ernsthafte Konsequenzen zu erfahren. Kann dazu nur diese Doku empfehlen (schamlose Eigenwerbung): https://feddit.org/post/19767449

          • Señor Mono@feddit.org
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            2 days ago

            Ich schaue mir das Thema schon lange an und weiß wie es aussieht. Das die Aussagen abgestimmt wird und die Judikative die Exekutive schütz, weil das Gewaltmonopol aufrechterhalten werden muss und man ja auch zukünftig zusammenarbeiten muss.

            Schöne Worte für: im Dienst gibt es selten Konsequenzen für Straftaten.

    • philpo@feddit.org
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      2 days ago

      Die Schussabgabe war fachlich gesehen richtig. In dem Abstand ist es eine reine Reaktionshandlung und das ist gut so - eine Konfrontation mit einem Messer in dieser Distanz ist in jedem Fall eine derartige Bedrohung, dass diese gerechtfertigt ist. Der “doppelte Ansatz” Taser und Schusswaffe wird in Teilen gelehrt, da auch die Schusswaffe nicht immer direkt handlungsunfähig macht (und nicht alle Beamten sind mit dem Taser ausgestattet).

      Das es nie nie nie soweit hätte kommen dürfen,dass die Beamten in eine Situation kamen,in der das Mädchen eine solche Gefahr darstellt ist der Knackpunkt.

      Ebenfalls böse,aber leider wahr: Man muss dem Schützen sogar noch gratulieren wie er geschossen hat - denn beim reflexhaften Schuss auf kurze Distanz sind die Beamten v.a. auf die “center mass” trainiert - die ist bei einer durchschnittlichen 12 Jährigen aber natürlich wonders und das “normale” Trefferfeld entspricht ungefähr dem oberen Thorax,Hals und Kopf - ein Treffer dort ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit lethal.

      Verständlich ist auch, dass niemand der zu so einem Einsatz fährt mit so einer Eskalation rechnen musste. Heißt, es war ein Routineeinsatz der erheblich schief gegangen ist.

      Nein. Das ist das Problem. Es darf eben nicht davon ausgegangen werden, dass es “nicht eskaliert”. Sondern es muss,auch bei solchen Einsätzen immer entsprechend geplant werden - die Eventualfallplanung ist Teil einer jeden Behörde und Organisation mit Sicherheitsaufgabe (BOS). Eben weil wir nicht wissen können was passiert, was vorliegt, weil Einsatzmeldungen unzureichend oder falsch sein können. Umso mehr,weil es sich hier um eine nicht direkt akute Situation (im Sinne: “Ihr fahrt da jetzt mit Sonder- und Wegerechten hin und löst das sofort”) war. Um es einem Beispiel aus meinem Berufsfeld deutlich zu machen: Wenn ich auf einen Arbeitsunfall fahre dann planen wir auf Anfahrt von “kleiner Kratzer” über “offene Fraktur” bis hin zu “Sturz aus 7m Höhe” alles - und haben auch im Hinterkopf, dass der Patient vielleicht wegen eines Schlaganfalls gestürzt sein könnte.

      Das tun Polizeibeamte durchaus auch - ich hab früher regelmäßig Beamte für verschiedene Landespolizeien fortgebildet für große Einsatzlagen, die haben das durchaus auch in ihrer Ausbildung - das Problem ist aber imho eher ein anderes: In der Ausbildung wird zwar sehr auf verschiedene Szenarien trainiert und wohin sich der Einsatz entwickeln könnte - aber dabei wird fast immer “eskaliert”, also "auf einmal hat der ne Waffe, auf einmal kommen die fünf Freunde des Täters, etc. Oft in Situationen die vor allem über “Dominieren” der Situation gelöst werden sollen. Das sorgt natürlich für eine gewisse antrainierte Eskalationstendenz. Was viel mehr das Problem darstellt in meinen Augen - es ist für viele,gerade junge Beamtinnen und Beamte schwer hier den “Mittelweg,” zu finden. (Randnotiz: Das betrifft auch die KollegInnen und Kollegen im Rettungsdienst). Hier entstehrn dann die Fehler - und das ist durchaus ein Problem,dass von Beamtinnen und Beamten in meinem Umfeld deutlich kritisiert wird (bis jetzt ohne Erfolg&mit dem Hinweis,dass meine Bubble sicher nicht repräsentativ ist).

      Das Gute aktuell ist: Ich glaube jede Beamte und jeder Beamte in Deutschland diskutiert den Vorfall (und fDt alle finden ihn aus verschiedenen Gründen Scheisse - selbst die “actiongeilen” haben keinen Bock auf Kinder zu schießen, und sei es nur,weil es sie keinen Bock haben,dass ihnen sowas die Karriere kaputt macht. Eklig,ich weiß,aber…Druck ist Druck)

      Wie bereits geschrieben: Es hätte nie soweit kommen dürfen,dass die Beamten überhaupt in die Lage kamen,dass die Bedrohung da war. UND: Es muss wirklich sehr gut aufgeklärt werden, ob diese wirklich vorlag - auch das ist ja nicht auszuschließen, es gibt ja durchaus Beamte die gerne eskalieren. Siehe hierzu auch die Pressemitteilung des Anwalts:

      https://www.presseportal.de/pm/181516/6166125

      Das mit dem Verbot ist übrigens ein urbaner Mythos den aktuell alle Abschreiben. Ist aber falsch.

      (3) Gegen Personen, die dem äußeren Eindruck nach noch nicht 14 Jahre alt sind, dürfen Schusswaffen nicht gebraucht werden. Das gilt nicht, wenn der Schusswaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben ist.

      (§63 Abs. 3 NRW)

      • Señor Mono@feddit.org
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        2 days ago

        Vielen Dank für die Einblicke und die Zeit, die Du Dir nimmst.

        Das mit der Eventualfallplanung sollte wie gesagt Gegenstand der Ausbildung sein. Dennoch rechnet zunächst beim umgangssprachlichen “einfachen Abholen einer 12 Jährigen” niemand mit so einer Eskalation. Bei dem was-wäre-wenn-Spiel zum Einsatzort steht das mit Sicherheit ganz unten auf der Liste.

        Das trotz sich verabschiedender Feinmotorik und zielen auf Center Mass nicht lethal getroffen wurde, rechne ich (ohne weitere Infos) jetzt erstmal nicht dem Schützen sondern dem Glück zu … Wodurch die Aggressivität, also das Dominieren der Situation begründet ist hatte ich im Diskurs mit jemand anderen schon mal aufgegriffen.

        Das mit dem Verbot und der Klausel mit der Gefahr für Leib oder Leben war jedem, der es lesen konnte hinreichend klar. Hier gibt es keinen weitern Klärungsbedarf.

        • philpo@feddit.org
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          1 day ago

          Das mit der Eventualfallplanung sollte wie gesagt Gegenstand der Ausbildung sein. Dennoch rechnet zunächst beim umgangssprachlichen “einfachen Abholen einer 12 Jährigen” niemand mit so einer Eskalation. Bei dem was-wäre-wenn-Spiel zum Einsatzort steht das mit Sicherheit ganz unten auf der Liste.

          Doch,das steht sogar relativ weit oben auf der Liste. Genauso wie du als Polizist bei der Routinekontrolle mit jemandem rechnest der auf dich schießt. Weil es eben die Situationen sind, die einen Fehler entstehen lassen. Und so hoch emotionale Situationen wie eine Rückführung eines Kindes von der Mutter sind eben kein Routineeinsatz. (Merkt man daran,dass hier auch nicht nur einfach eine Streife hingegangen ist). Ebenso wie lange der Einsatz vorher schon gedauert hat. Das war definitiv kein Routineeinsatz.

          Das mit dem Verbot und der Klausel mit der Gefahr für Leib oder Leben war jedem, der es lesen konnte hinreichend klar. Hier gibt es keinen weitern Klärungsbedarf.

          Das ist gar nicht so klar - man hätte die Tatbestandsausnahme auch unter dem §34 StGb (rechtfertigender Notstand) subsumieren können und hätte als Politik weniger Arbeit gehabt. (So wie man 20 Jahre lang den Rettungsdienst hat laufen lassen…) Und das eine Person mit Messer, auch in dem.Alter,direkt vor dir eine solche Situation ist, ist auch irgendwie klar.

          Anyway: Wie gesagt, das Problem ist alles zwischendrin gewesen. Und das bestärkt ja nun auch der ND Artikel. Sollte das so geschehen sein…dann müssen wir uns eine eigentlich gar nicht mehr über “Eskalation im Routineeinsatz” unterhalten,sondern eher ob hier nicht ggf. ein ganz anderes Bouquet von Tatbeständen in Frage kommt. Denn dann ist es nicht “schief gegangen aus Faulheit/mangelnder situational awareness”, sondern mit “quasi Vorsatz” weil jemand meinte er kann SEK spielen oder vergleichbar. (Lustigerweise wäre denen das mit hoher Wahrscheinlichkeitnicht passiert)

          Um das mit den Worten einer Beamtin zu demonstrieren,der ich den Artikel geschickt hab: “Alter, wenn das so stimmt ist das so krass,das mir die Worte fehlen. Und zwar nachhaltig.”