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Cake day: June 22nd, 2023

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  • Ich wurde teilweise auch dadurch radikalisiert, dass ich ein paar Jahre im Sicherheitsdienst arbeitete, unter anderem im Veranstaltungsschutz, als Türsteher, als Ladendetektiv, im Objektschutz usw. Insbesondere als Ladendetektiv musste ich häufig die Polizei hinzuziehen und habe aus direkter Nähe miterlebt, wie unterschiedlich verschiedene Menschen von Polizist*innen behandelt wurden. Wirklich eingeprägt hat sich eine Situation, in der ich eine Person ohne Ausweis oder nennenswerte Kenntnisse festgehalten hatte und anzeigen musste, dazu die Polizei zwecks Identitätsfeststellung hinzuziehen. Der Mann war friedlich, sprach halt nur kein Deutsch, und lebte erkennbar in prekären Verhältnissen, hatte auch keinen festen Wohnsitz. Nach meinem Anruf kamen vier Polizisten, kein Dolmetscher, und nahmen den Mann so in die Mangel, dass sie bei ihm eime Panikattacke auslösten. Am Ende wurde er in Handschellen ziemlich unsanft abgeführt und in einen Polizeibus verfrachtet. Zwei Jahre später wurde ich als Zeuge in diesem Fall vor Gericht geladen (was sowieso schon eine Besonderheit war), die Anklage lautete auf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Auf meine Aussage, dass die Beamten von Beginn an dem Angeklagten gegenüber unfreundlich und ruppig auftraten und die Eskalation bis zur Panikattacke von den Beamten ausging, wurde meine Glaubwürdigkeit als Zeuge von der Staatsanwaltschaft versucht, zu zerlegen, und im Endeffekt hat sie keine Rolle gespielt, weil die vier Polizisten einander gegenseitig den Rücken stärkten. Der Mann war übrigens aus Syrien geflüchtet.

    Jetzt kommt der Haken: ich könnte mir das ausgedacht haben, oder man könnte meine Erfahrung als nicht repräsentativ und anekdotische Evidenz abtun und hätte mit zweiterem sogar Recht, so wie deine Bekannten bestenfalls anekdotische Evidenz und nicht repräsentativ sind. Dafür gibt es belastbare Statistiken, und die zeigen, dass auf die Polizei als Institution und den Großteil der Beamt*innen im Kampf für die Demokratie und gegen Autoritarismus keinen Verlass ist.











  • Und wenn man noch ein paar zusätzliche Regeln beachtet, dann ist veganes Essen auch halal und koscher.

    Tatsächlich fände ich halal und koscher deutlich schwieriger bereitzustellen, weil es dabei auch um versehentliche Berührung mit anderen Lebensmitteln geht, und teilweise auch, wer es produziert. Der verbreitete Aufdruck “Kann Spuren von” enthalten, würde halal und koscher zum Beispiel ausschließen, vegan aber nicht.





  • Naja, die meisten veganer […] verhalten sich wie religiöse.

    Ne, im Gegenteil. Also erstmal finde ich es schwierig, den Versuch, jemanden von den eigenen Wertvorstellung zu überzeugen, mit Missionsarbeit gleichzusetzen. Sonst verhalten sich nämlich plötzlich sämtliche politischen Bewegungen “wie Religiöse”. Und zweitens hast du (auch wenn mir die Formulierung sauer aufstößt) recht mit

    Die veganer die einfach die Klappe halten und ihr leben leben wie sie es wählen sind eben meistens nicht die von denen man hört.

    Und das ist der allergrößte Teil der Veganer.

    Abgesehen davon finde ich das hier auch den falschen Ort um vegane Ethik zu diskutieren, denn darum geht es nicht. Es geht darum, warum ein Gefängnis manchen Menschen eine Ernährumg gemäß ihrer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung gewährleistet und manchen Menschen nicht.

    (Als Randnotiz möchte ich nochmal betonen, dass es mal wieder nicht der (überzeugte) Veganer war, der das Fass aufgemacht hat und Veganismus diskutieren wollte.)


  • Nein, da hast du jetzt beide Teile überinterpretiert.

    Nein, hab ich nicht.

    Die Justizvollzugsanstalt hatte die moralisch-ethischen Überzeugungen des Häftlings akzeptiert und diese sogar mit religiösen Überzeugungen gleichgestellt. Vegan sein wurde damit überspitzt ausgedrückt als Religion im Sinne der Vorschrift anerkannt.

    Witzigerweiser erfüllen vegane Speisen auch sämtliche Kriterien für vegetarische und laktosefreie Ernährung und sind oft auch koscher und halal. Man könnte so viel Aufwand sparen…


  • Vegan sein wurde damit überspitzt ausgedrückt als Religion im Sinne der Vorschrift anerkannt. Dennoch wurde der Antrag abgelehnt – zu Recht, meint das BayObLG. Denn es bestehe keine Verpflichtung, im Rahmen der Anstaltsverpflegung sämtliche Verbote und Gebote aller Glaubensgemeinschaften umzusetzen.

    […]

    Im konkreten Fall sprachen weder medizinische noch religiöse Gründe gegen die Versorgung mit vegetarischer und laktosefreier Kost.

    Hä? Wie kann man denn einerseits die Weltanschauung mit Religion gleichsetzen, den Antrag aber dann mit der Begründung ablehnen, dass keine religiösen Gründe vorliegen?

    (Btw, kurze Haftstrafe und vegan, ich würde Geld drauf wetten, dass es sich um einen Klimaaktivisten handelt. Und wir sind immer noch in Bayern.)