Nur mal so ein Gedanke. Ich habe in letzter Zeit einige Handwerker für eine Renovierung beauftragt und bin erstaunt bzw. entsetzt, wie normal es scheinbar ist, Schwarzarbeit anzubieten bzw. in Anspruch zu nehmen!?
Ich hatte bisher selten mit Handwerkern zu tun, daher habe ich keine Erfahrungswerte. Soweit ich weiß ist das immer noch illegal, da es Steuerhinterziehung ist und dem Gemeinwesen schadet. Dennoch haben mich bestimmt 80% der Handwerker wie selbstverständlich gefragt, ob ich mit oder ohne Rechnung machen möchte. Äh hallo?? :D Natürlich mit Rechnung… Ich hab ja keine Lust mich strafbar zu machen.
Wie steht ihr dazu bzw was sind eure Erfahrungen?
Herzlichen Glückwunsch zu dieser Einsicht. Mein persönlicher Eindruck ist, dass Schwarzarbeit nie NICHT normalisiert war. Sämtliche Handwerker, die ich kenne, arbeiten nebenbei schwarz, in der Regel schon während der Ausbildung. Und das hat “Tradition”, also war nie anders.
Handwerksleistungen sind inzwischen so teuer, dass sich das Viele nicht mehr leisten können. Die Handwerker, die das nicht billiger schwarz anbieten würden, würden also schlicht und einfach Kunden verlieren. Außerdem bessern sich viele angestellte Handwerker mit Schwarzarbeit nach Feierabend oder am Wochenende ihre Löhne auf.
Es ist wirklich absurd, wie die Einstellung dazu ist. In Deutschland wird es als Erfolg oder Sieg gesehen, wenn man es schafft, den Staat irgendwie auszunehmen. Ob das die Autoprämie für den Hybrid ist, ovwohl das Ladekabel nach Jahren noch ungeöffnet im Kofferraum liegt oder eine Bekannte, die sich für Privatvergnügen ein Pedelec holt, dass als Geschäftsfahrzeug ihrer Praxis gilt. Sie" konnte so ja viel steuerlich sparen und kontrolliert ja eh keiner".
Sie war stolz und ich sagte nur, dass ich das zahle mit meinen Steuern.
In anderen Ländern wie Dänemark wird so ein Verhalten geächtet. Die haben da eher die Gesellschaft im Blick.
Es ist verständlich, dass Menschen, die am Hungertuch nagen, schauen, wo sie bleiben, und dass das Verhalten von Großkonzernen abzulehnen ist. Das sind aber Probleme, die es zusätzlich gibt und auch gelöst werden müssen. Die rechtfertigen keine solche Mentalität.
Wenn alle Konzerne vernünftig besteuert und keine solche Hinterziehung mehr möglich wäre, hörten die oben genannten Leute ziemlich sicher trotzdem nicht auf.
Ich kann diese Haltung irgendwie nachvollziehen. Aber leider ist es regelmäßig so, dass es als assozial angesehen wird, wenn normale Leute das tun, aber irgendwie egal, wenn es Reiche sind. Nicht das ich dir das unterstellen würde. Man muss es aber immer dazudenken. Allein die Sache mit Cum Ex, die praktisch in der Versenkung verschwunden ist. Oder die de facto Steuerhinterziehung durch Steuerschlupflöcher etwa beim Erbe.
Unabhängig wie man moralisch dazu steht ist es wichtig anzuerkennen, dass der Staat gemäß Modern Monetary Theory keine Steuern zur Staatsfinanzierung braucht, da er seine eigene Währung herausgibt. Es ist gerade andersherum, dass die Möglichkeit Steuern zu erheben voraussetzt, dass der Staat das Geld erst seinen Bürgern gegeben hat. Die Existenz von Steuern hat andere Gründe:
- Steuern sorgen dafür, dass die Währungsnutzer die staatliche Währung nutzen und sind daher wichtig für die Akzeptanz der Währung. Das ermöglicht dem Staat Arbeitskraft, Güter und Dienstleistungen, die er von seiner Bevölkerung zur Erfüllung staatlicher Aufgaben braucht, mit seiner eigenen Währung zu kaufen.
- Steuern sind wichtig, um die Konjunktur zu steuern. Wenn Ausgaben das Gaspedal sind, dann sind Steuern das Bremspedal für den Staat. Sie reduzieren unsere Kaufkraft und damit die Nachfrage und setzten damit reale Ressourcen, z.B. Arbeitskraft, frei.
- Steuer sind ein wichtiges Werkzeug um Ungleichheit zu adressieren.
- Steuern beeinflussen das Konsumverhalten und helfen sozial-, gesundheits- oder umweltpolitische Ziele zu erreiche. Zum Beispiel Steuern auf Zigaretten oder Plastik.
Aus volkswirtschaftlicher Sicht könnte man also sagen, dass Steuerhinterziehung gut ist, wenn sie zur Steigerung der Nachfrage und zum ankurbeln der Konjunktur führt.
Aus volkswirtschaftlicher Sicht könnte man also sagen, dass Steuerhinterziehung gut ist, wenn sie zur Steigerung der Nachfrage und zum ankurbeln der Konjunktur führt.
Wenn ich das davor richtig verstanden habe umgeht Schwarzarbeit das Bremspedal. Warum ist es besser das Bremspedal zu umgehen anstatt das Bremspedal weniger zu drücken?
Kannst ja mal versuchen, die Dummköpfe im Kanzleramt davon zu überzeugen, dass die Austeritätspolitik, die sie mit allem was die haben verteidigen, das Ursprungsproblem der gegenwärtigen Krise ist. Der Staat muss mehr ausgeben und Arbeit weniger besteuern. Aber das geht in neoliberale Köpfe nicht rein.
Najut mit der Prämisse machts Sinn, wobei ichs für fraglich halte wie gut das umgehen des Bremspedals wirklich funktioniert wenn die übliche Reaktion darauf ist noch stärker aufs Pedal zu drücken
Steuerhinterziehung ist natürlich nie gut, aber ich bin ganz ehrlich, solange hier amerikanische Milliardenkonzerne überhaupt nicht zur Kasse gebeten werden, tue ich mich schwer mich über den Handwerker, der keine Rechnung rausgibt oder den Dönermann, der nur jeden zweiten Döner verbucht wirklich aufzuregen.
Ich weiß, das ist ein bisschen whataboutism, aber das sind echt so gravierende Unterschiede, was da wirklich an Schaden für die Gesellschaft passiert.
Ja oder cum ex
In 11 Tagen wird geschreddert
Ja, schlimm. Bin sehr enttäuscht von der Politik.
Ich würde es eher verärgert nennen. Eine Enttäuschung setzt ja eine positive Erwartung vorraus.
Das geht mir genauso. Erwartungen hab ich an die Kasper schon lange nicht mehr.
das ist das Argument von Steuerstraftätern in jeder Größenordnung :-) auch große
Schaden tut es uns allen. Vor allem den Deppen, die alles Ordentlich machen. Die sind oft nicht Konkurrenzfähig
Meine Überraschung gilt deiner Überraschung!
Über einen längeren Zeitraum betrachtet sehe ich jedoch einen rückläufigen Trend. Dem pers. Empfinden nach war es früher üblicher.
Genau genommen bedeutet ohme Rechnung erstmal nicht unbedingt Steuerhinterziehung. Du verzichtet jedoch auf einen Nachweis um Gewährleistung in Anspruch nehmen zu können oder diese Dienstleistung bei Deiner Steuererklärung geltend zu machen.
Findige Leute könnten hier einen (illegalen) Bürokratieabbau,nach dem Prinzip linke Tasche oder rechte Tasche egal, konstruieren. Dienstleistung wird um den Steuersatz günstiger angeboten. Dafür reduziert diese Steuerschuld des Dienstleistungnehmern nicht. Je nach Konstellation und Rechnung wäre das sogar ein rechnerischer Gewinn für den Staat (Gemeinwesen), da die nicht-abgeführte Steuer wahrscheinlich ein geringerer Betrag darstellt, als der mögliche angerechnete volle Rechnungsbetrag wäre. Nimmt man, die Kosten für Rechnungserstellung bzw. Steuerprüfung hinzu kann im Einzelfall auch ein positives Ergebnis für den Staat herauskommen.
Das habe ich mit einem Augenzwinkern geschrieben und ist nicht ganz ernst gemeint. Ich sehe eine Rechnung als obligatorisch an.
Deine Überraschung hat mich nach Argumenten für die Schwarzarbeit suchen lassen.
Interessant finde ich jedoch den Kippunkt in der aktuellen Wahrnehmung unserer Gesellschaft.
Bei einem unbekannten Handwerker und Auftraggeber ist es einfach.
Wie sieht die Wahrnehmung jedoch bei Freundschaftsdiensten aus? Der mit dem Maler befreundete Schreiner baut ihm die Küche oder Fenster ein, dafür verputzt oder malt dieser ihm das Haus bzw. Wohnung. Ich vermute es gibt hierzu unterschiedliche Wahrnehmungen von Gesellschaftsmitgliedern mit Handwerken im Freundeskreis und ohne. Daher ein zweites Beispiel. Der freischaffende Investor oder Geldberater braucht priv. Rechtsberatung und fragt seinen befreundeten Anwalt. Der Anwalt möchte freies Budget anlegen und fragt den Geldberater / Investor um Hilfe. Beides ohne Rechnung. Alternativ könntexauch ein befreundeter Orthopäde einen abtrünnigen Wirbel wieder an die passende Stelle drücken usw. Genau genommen sind die jeweilige Arbeiten (ohne Material) hier als gleich anzusehen.
Trotzdem unterstelle ich den Meisten eine unterschiedliche Wahrnehmung.
Anwalt ist vielleicht ein schlechtes Beispiel, da die Kollegen sehr spitzfindig sind was Gesetze angeht. Ich kenne einen Anwalt und die stellen sich sogar unter Kollegen gegenseitig eine Rechnung.
Unter Freunden ja da ist das natürlich schwierig. Mein Gefühl würde hier sagen, dass es vom Umfang abhängig ist. Wenn es wirklich etwas ist das ich für einen Freund kostenlos tun würde, dann ist es ja ok. Aber für eine Woche Vollzeit Arbeit würde es wohl um mehr als nur einen Gefallen gehen.
Deine Überraschung hat mich nach Argumenten für die Schwarzarbeit suchen lassen.
Na, es ist billiger.
Wenn du ein Haus baust und mit beiden Händen Geld zum Fenster rausschmeißen musst und dann kommt der Handwerker und sagt, er kann es dir für 5k ohne Rechnung machen oder für 6k mit.
Dann wird nicht über die Moral sinniert, sondern abgewogen ob du dem Typ genug traust, dass er alles richtig macht bzw. sich kümmert, wenn was nicht passt oder ob du lieber einen Nachweis von Leistung und Zahlung hat mit dem man notfalls vor Gericht gehen um Nachbesserung oder Schadensersatz durchzusetzen.Ich würde es auch vom Umfang der Arbeiten abhängig machen. Ein Zimmer streichen? Ist schwarz kein Problem. Fasade verputzen? Würde ich nur gegen Rechnung machen, wenn da mal irgendwas sein sollte…
Zimmer streichen macht man einfach selbst, wenn der Handwerker zu teuer ist. Fassade verputzen kann man meistens nur selbst machen, wenn man irgendwo ein Gerüst herbekommt und das ist vom Aufwand her auch deutlich höher.
Ich bin überrascht, dass du überrascht bist. Aber ich lebe auch im ländlichem Raum und kenne viele Handwerker.
Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass stärkere bekämpfung von Schwazarbeit zu noch mehr Personalmangel in Handwerksbetrieben führen würde.
Damit will ich Schwarzarbeit nicht gutheißen, aber wenn die wegfällt müssten sich andere dinge auch ändern.
Warte ab, bis du von der Steuertreue der Großkonzerne hörst.
ohne schwarzarbeit würde ich als handwerkerin am hungertuch nagen
Ich dachte du arbeitest in der IT?
wenn du dich auf meinen anderen kommentar beziehst: ich bin 70% mädchen für alles im büro, darunter auch it und 30% draußen unterwegs und mach installationen etc. :)
ist halt kein gut bezahlter job… dafür nie langweilig xd
Vielleicht ein anderer Gedanke: U.U. wäre deine Situation ohne Schwarzarbeit nicht so schlecht, wenn Schwarzarbeit insgesamt nicht normalisiert und akzeptiert würde. Dann gäbe es ein paar weniger Aufträge, die aber stets zu validen Bedingungen.
Ich vermute, aktuell gilt: Wenn du es nicht machst, finde ich einen anderen.
klar fände ich es schöner wenn meine woche bei 40h bleibt und unerwartete rechnungen keine panikattacken erzeugen. wenn ich es nicht mache passiert genau das.
ich sehe kein massives problem in der schwarzarbeit, das gabs immer und manchmal profitieren beide seiten. ich sehe ein riesen problem darin dass es notwendig ist.
Wer sind “beide Seiten”, du und Auftragnehmer*in? Das ist ja klar, sonst wären nicht diese beide Seiten einig, Steuerbetrug zu begehen. Es geht ja darum, dass dem Staat bzw der Gemeinschaft die Steuer flöten geht.
Aber ich gebe dir natürlich recht, dass es nicht sein kann, dass das für dich nötig ist um deine Rechnungen zu bezahlen.
der steuerbetrug der begangen wird ist ein tropfen auf dem heißen stein. wir reden von 766 Millionen € die nach Prognose dem Staat entgehen. Während einzelne Reiche Geld hin & her schieben und als einzelne Personen oder Unternehmen dem Staat mehrere Milliarden vorenthalten.
Ich denk an die Relation zwischen einem Freund etwas Gras mitgeben oder Kiloweise handel damit treiben. Eins ist ok, das andere ist verwerflicher.
Deswegen denke ich nicht “ich begehe Steuerbetrug” sondern ich denke ich helfe jemandem und verdien was dabei.
Ich speziell bzgl Rentenpunkten nimmst du dir selber das Brot aus dem Mund.
Tja. Hab ich auch gehört, dass es üblicherweise kein Problem ist sich zwischen Rechnung und keine Rechnung zu entscheiden… Unabhängig von Strafbarkeit sollte man sich vielleicht auch sowieso überlegen ob sich das lohnt auf Gewährleistung, Ansprüche etc zu verzichten. Kann ja auch mal was schiefgehen oder Probleme geben, das wird dann ohne Rechnung problematisch. Und Förderungen oder selber korrekt abrechnen geht auch nicht. Weiß nicht. Sieht trotzdem so aus als würden die Handwerker den Großteil der Woche auf Rechnung arbeiten und Freitag und Samstag dann so. Und die Leute lassen auch gerne mal Teilaufgaben auf ihrer Baustelle etwas “kostengünstiger” erledigen. Können ja nicht immer nur die Superreichen und Konzerne alles am Staat vorbei wirtschaften?! /s
Keine Rechnung zu bekommen ist doch nicht strafbar!?
Formal hast du vermutlich recht. Allerdings ist auffällig, dass ohne Rechnung häufig genau 19% günstiger ist… Merkwürdig 🤔 Scheint ziemlich aufwändig zu sein so eine Rechnungsstellung.
Steuerhinterziehungen sind allgeim sehr hoch in DE da keine konservative Partei sich traut das Steuerrecht zu reformieren und damit 100.000 steuerberatende Arbeitslos zu machen
“sich traut” klingt so, als würden sie das überhaupt ersteinmal wollen… Die Tatsache, dass die Sache aber eben nicht nur nicht angefasst wird, sondern sogar ständig aktiv an mehr Steuerhinterziehung gearbeitet wird, spricht aber eine andere Sprache.








